Die größe Droge unserer Zeit, Komfort.

Die größe Droge unserer Zeit, Komfort.

Komfort als Droge zusehen ist ein ziemliches starkes Bild.
Und es wirkt tatsächlich wie eine Droge: Er macht das Leben angenehmer, man gewöhnt sich schnell daran und irgendwann fällt es schwer, wieder aus der „Komfortzone“ herauszutreten.

Er kann Sicherheit und Ruhe geben, aber gleichzeitig auch Wachstum, Abenteuer und Veränderung hemmen. Wie bei einer Droge stellt sich eine Art Toleranz ein: Man braucht immer mehr Bequemlichkeit, um sich wohlzufühlen, und Dinge, die früher anstrengend, aber machbar waren, wirken plötzlich wie unüberwindbare Hürden.

Komfort wird oft mit der „Komfortzone“ gleichgesetzt.

In der Komfortzone bleibt alles vertraut, sicher und planbar. Aber: Nur außerhalb davon entstehen Wachstum, neue Erfahrungen und echte Weiterentwicklung. Philosophisch gesehen ist Komfort also ambivalent: Er kann Geborgenheit schenken, aber auch wie ein goldener Käfig wirken. Viele Denker (z. B. Nietzsche mit seinem „Werde, der du bist“) sahen das Leben als etwas, das ständige Überwindung erfordert. Komfort dagegen verführt dazu, stillzustehen und Stillstand ist für manche eine Art geistiger Tod.

Das Gehirn liebt Komfort, weil er Energie spart. Evolutionär war es sinnvoll, nicht unnötig Energie zu verschwenden. Dopamin spielt hier eine Rolle: Bequeme Routinen geben kurzfristige Belohnungen, wodurch das Gehirn dieses Verhalten verstärkt. Aber zu viel Komfort kann Resilienz abbauen: Dinge, die früher normal waren (z. B. körperliche Anstrengung, unbequeme Gespräche), werden plötzlich als „Stress“ empfunden.

Auf lange Sicht wirkt Komfort wie eine Droge: Er betäubt das Unangenehme, verhindert aber, dass wir lernen, mit dem Unangenehmen umzugehen.

Klassische Beispiele, wo Komfort wie eine Droge wirkt:

  • Aufzug statt Treppe
    Kurzfristig bequem, spart Energie. Langfristig aber: weniger Bewegung, schwächere Kondition, steigendes Risiko für Herz-Kreislauf-Probleme.
    Komfort betäubt, aber er nimmt dir eine Gelegenheit für Alltagsfitness.
  • Auto statt Fahrrad
    Auto: trocken, schnell, kein Schwitzen.
    Fahrrad: Bewegung, frische Luft, mehr Körperbewusstsein.
    Komfort macht hier blind für die positiven Nebeneffekte des Anstrengenden.
  • Flugzeug statt Zug
    Flugzeug: schneller, oft billiger, weniger Umstiege.
    Zug: weniger Stress beim Check-in, mehr Platz, geringere Umweltbelastung.
    Komfort kann kurzfristig „schneller und leichter“ wirken, aber die Kosten sind oft höher (für Umwelt, Klima, sogar für die eigene Nervenruhe, wenn man den Flughafenstress bedenkt)

Für viele eine Zumutung, ein Treppe.

Unser Gehirn liebt Bequemlichkeit. Evolutionär war es sinnvoll, Energie zu sparen: Jede eingesparte Kalorie konnte über Leben und Tod entscheiden. Heute jedoch führt dieser Drang dazu, dass wir Routinen bevorzugen, die uns kurzfristig belohnen, aber langfristig schwächen. Komfort ist nicht grundsätzlich schlecht. Er schenkt Sicherheit, Geborgenheit und Erholung. Aber zu viel davon macht uns träge, abhängig und weniger widerstandsfähig. Was gestern noch angenehm war, wird morgen zur Selbstverständlichkeit und die Ansprüche steigen weiter.

Der Körper ist wie ein Werkzeug. Benutzt man es regelmäßig, bleibt es scharf und funktionsfähig. Legt man es nur in die Schublade (Komfort), beginnt es zu rosten. Auf lange sich schwächt der Komfort unsere Fähigkeiten und Körper.

Komfort in der digitalen Welt

Apple, Microsoft, Meta & Co. bieten Ökosysteme, die perfekt aufeinander abgestimmt sind. Alles „funktioniert einfach“. Dieser Komfort ist verführerisch, weil er Reibung minimiert: keine komplizierten Setups, keine Brüche, keine großen Entscheidungen. Aber: Mit jeder Gewöhnung wächst die Abhängigkeit. Man akzeptiert Einschränkungen, Preiserhöhungen oder fragwürdige Datenschutzpraktiken, nur um im gewohnten Komfort zu bleiben.

Parallele zu Drogen & körperlichem Komfort

Kurzfristig läuft alles rund, wenig Aufwand, sofortiges Wohlgefühl. Langfristig: Weniger Freiheit, weniger Anpassungsfähigkeit, man „verlernt“ Alternativen (Linux, freie Software, unabhängige Cloud-Lösungen). Toleranzentwicklung: Der Komfort-Standard steigt. Was früher Luxus war, ist heute Normalität (z. B. automatische Synchronisation, Sprachsteuerung). Fehlt er, fühlt es sich wie ein Entzug an.

Aus dem Alltag

iPhone-Nutzer: Alles läuft nahtlos. Aber ein Wechsel zu Android? „Viel zu kompliziert, meine Daten sind da gefangen.“ Microsoft-Office-Abonnent genießen Vertrautheit und Bequemlichkeit, aber jedes Jahr steigende Kosten. Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp): Alle Freunde sind dort, also bleibt man selbst wenn man die Plattform kritisch sieht.

Europäische Souveränität

Wenn alle am Komfort festhalten, wird es auch mit der europäischen Souveränität nichts. Das zeigt sich besonders deutlich im Finanzbereich: PayPal ist für viele Menschen bequem, vertraut und fast überall akzeptiert. Eine europäische Alternative wie Wero hat es dagegen schwer, weil sie anfangs weniger komfortabel wirkt – neue App, neue Abläufe, eingeschränkte Verbreitung. Der Komfort sorgt dafür, dass wir lieber beim Bekannten bleiben, anstatt den Wechsel zu wagen.

Damit entsteht dasselbe Muster wie bei einer Droge: Kurzfristig belohnt uns die Bequemlichkeit mit reibungslosem Funktionieren, doch langfristig wächst die Abhängigkeit. Wir gewöhnen uns so sehr an den Komfort, dass wir Alternativen kaum noch ertragen und Europa in zentralen Bereichen weiter auf US-Infrastruktur angewiesen bleibt.

Solange wir also den Komfort höher gewichten als die eigene Unabhängigkeit, bleiben wir gefangen, genauso wie ein Körper, der immer nur den Aufzug nimmt und irgendwann nicht mehr in der Lage ist, die Treppe zu gehen. Mut zur Unbequemlichkeit ist daher eine Voraussetzung für echte Souveränität sowohl individuell als auch gesellschaftlich.

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